Arbeit und Soziales in der Haushaltsdebatte 2024 - 2./3. Lesung
von Noah Baum | 01. Februar 2024
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrter Herr Minister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
es ist vollbracht: wir schließen in dieser Woche ein sehr langes, dafür aber gründliches Haushaltsverfahren ab, das allerdings nicht erst durch das bekannte Urteil des Bundesverfassungsgerichts, extrem anspruchsvoll war.
Entsprechend musste auch der Arbeits- und Sozialminister seinen Konsolidierungsbeitrag leisten – und über das „wie“ haben wir in den vergangenen Monaten wirklich hart verhandelt: Einen geplanten Rechtskreiswechsel von unter 25-jährigen Leistungsempfängern aus dem steuerfinanzierten SGB II in die Beitragsfinanzierung des SGB III konnten wir beispielsweise gemeinsam abwenden. Dafür möchte ich Ihnen, Herr Minister, meinen Respekt zollen; in der Politik ist es nicht selbstverständlich, Fehler einzugestehen und nach neuen Lösungen zu suchen.
Aber, und das muss ich leider erneut sagen, ist der Alternativvorschlag nur das „geringere Übel“ und bleibt meiner Ansicht nach ein „Verschiebebahnhof“. Denn auch der nun angestrebte Rechtskreiswechsel in den Bereichen „Reha“ und „Weiterbildung“ kann keine Blaupause für Einsparmaßnahmen sein; unterm Strich wird dadurch kein Geld gespart, sondern nur von anderen Personengruppen, in diesem Fall den Arbeitnehmern, über ihre Beiträge zur Arbeitslosenversicherung finanziert.
Wir haben in den vergangenen Monaten aber nicht nur mit dem Ministerium, sondern auch innerhalb der Koalition hart gerungen, um den Regierungsentwurf auch an die erwartete Arbeitsmarkt- und Konjunktursituation anzupassen. Herausgekommen ist nun ein Kompromiss, den ich als Liberale Haushaltspolitikerin mittragen kann, wenn auch mit teils getrübtem Enthusiasmus.
Als Koalition haben wir etwa das Bürgergeld und das Gesamtbudget SGB II, also die finanzielle Ausstattung der Jobcenter angefasst und im Bereich „Eingliederung“ deutlich mehr Mittel zur Verfügung gestellt. Hintergrund ist der im vergangenen Jahr angekündigte „Jobturbo“, um zugewanderte Menschen schneller in Arbeit zu bringen. Aufgrund der dadurch zu erwartenden Beschleunigung des Eingliederungsprozesses ergeben sich finanzielle Spielräume in den Sozialsystemen, weshalb wir den Ansatz für das Bürgergeld um ca. eine halbe Milliarde Euro abgesenkt haben.
Wir haben Ihnen, Herr Minister, sozusagen „Vorschusslorbeeren“ gewährt und erwarten nun bereits bis Ende März einen ersten konkreten Zwischenbericht, inwieweit sich der „Jobturbo“ tatsächlich entfaltet. Egal ob Bürgergeldempfänger, Langzeitarbeitslose oder Zugewanderter: Wir brauchen mehr Menschen in Arbeit, ohne diese erst über lange Zeit in unseren Sozialsystemen verharren zu lassen.
Das liegt nicht nur im Interesse eines jeden Steuerzahlers, sondern insbesondere auch im ureigenen Interesse derjenigen Menschen, die hier arbeiten können und arbeiten wollen. Spracherwerb, soziale Teilhabe und Integration sind integrale Bestandteile, die „Arbeit“ eben auch mit sich bringt.
Und gerade vor diesem Hintergrund begrüße ich auch, dass wir uns als Koalition auf eine Neuregelung für die Sanktionierung sogenannter „Totalverweigerer“ einigen konnten. Das bedeutet, dass Bürgergeldempfänger, die mehrfach zumutbare Arbeit ablehnen, in Zukunft angemessen sanktioniert werden dürfen. Das wirkt insbesondere präventiv und ist aus Gründen der Leistungsgerechtigkeit und Fairness mehr als sinnvoll.
Die finanzielle Komponente beläuft sich hierbei für den Bund auf ca. 150 Mio. Euro Einsparungen im Jahr. Als FDP sagen wir aber klar: Wir müssen dieses Instrument streng evaluieren und möglicherweise nachbessern; also gegebenenfalls auch verschärfen. Denn es kann nicht sein, dass die Steuerzahler mit hohen Milliardenbeträgen pro Jahr für Eingliederungsmaßnahmen aufkommen; Menschen, die arbeiten könnten und zumutbare Arbeitsangebote vorgelegt bekommen, diese immer wieder ablehnen. Das ist unfair und deshalb ist diese Neuregelung wichtig und richtig!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es bleiben große Baustellen in diesem „größten Einzelplan“ des Bundeshaushalts und wir müssen uns deshalb und gerade auch für die kommenden Jahre ehrlich machen: Wir leisten uns einen einzigartigen, aber auch kostenträchtigen Sozialstaat. Gut 40 Prozent unseres gesamten Bundeshaushalts fließen in den Einzelplan 11 und eine finanzielle Belastungsgrenze lässt sich ab einem gewissen Punkt nicht mehr durch reines „Verschieben“ von Finanzmitteln umschiffen. Deshalb – und ich sage das jetzt mal ganz ungeschützt – müssen wir wirklich dringend nach Lösungen für weitere und tatsächliche Sparmaßnahmen suchen, damit uns der „Laden nicht irgendwann um die Ohren fliegt“. Das wäre nämlich für genau diejenigen dramatisch, die Unterstützung am meisten benötigen und für diejenigen, die es in Zukunft finanziell ausbaden müssten: unsere Kinder und Enkelkinder.
Bundesfinanzminister Lindner hat den meisten Ressorts daher strikte Sparmaßnahmen auferlegt, was ich für absolut richtig halte; denn, ich habe es an dieser Stelle schon mehrfach erwähnt – wir haben kein Einnahme- wir haben ein Ausgabeproblem. Deshalb kann die Lösung nur in Konsolidierungs- und Sparmaßnahmen liegen, keinesfalls – und das möchte ich klar sagen – in Debatten über Steuererhöhungen oder dergleichen. Dasselbe gilt für die Schuldenbremse.
Ich möchte als Haushälterin deshalb zum Abschluss dafür werben, dass wieder mutige Reformen angestoßen werden, die unser Land nach vorne bringen, auch wenn sie uns kurz- wie mittelfristig einiges an Durchhaltevermögen abverlangen. Manchmal können aber auch kleine Rückschritte große Fortschritte bedeuten.
Vielen Dank!