Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in der Haushaltsdebatte 2025 - 1. Lesung
von Noah Baum | 12. September 2024
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Schon zum vierten und letzten Mal beraten wir in dieser Legislatur einen Bundeshaushalt. Für mich persönlich - und wahrscheinlich nicht nur für mich - eine wahnsinnig intensive, herausfordernde und spannende Zeit. Weltpolitisch haben sich die Ereignisse in diesen drei Jahren regelrecht überschlagen. Aber mit Blick auf den Haushalt stelle ich fest, dass die meisten Themen und Entwicklungen nicht neu sind, sondern sich im Gegenteil höchstens weiter zuspitzen.
Viele Aufgaben für uns Haushälter - und natürlich für die Bundesregierung - bleiben bestehen, auch wenn sie anstrengend sind. Die Konjunktur beschert uns weiterhin keine sprudelnden Einnahmen, die Schuldenbremse steht - aus meiner Sicht Gott sei Dank - weiterhin im Grundgesetz und das Bundesverfassungsgericht achtet selbstverständlich ganz genau darauf, dass wir einen soliden und rechtmäßigen Haushalt aufstellen.
Für den Etat des BMZ kann man einmal mehr sagen, dass unsere Ministerin Svenja Schulze einen ausgewogenen Regierungsentwurf vorgelegt hat, auch wenn das mit der Sparvorgabe von knapp 1 Milliarde Euro wirklich kein leichtes Unterfangen war. Den Unmut darüber, mit weniger Geld auskommen zu müssen, während die Aufgaben keineswegs weniger werden, können wir, denke ich, alle sehr gut verstehen.
Nicht nachvollziehen kann ich allerdings die vielen Stellungnahmen von NGOs und Medien zur „unverantwortlichen“ und „überproportionalen“ Kürzung des deutschen Entwicklungsetats und den angeblich vorprogrammierten katastrophalen Konsequenzen weltweit.
Erstens liegt der Einzelplan 23 mit jetzt 10,28 Milliarden Euro immer noch über dem Niveau von 2019. Und ich bin ganz sicher, dass das BMZ mit seinen Durchführungsorganisationen auch mit diesen 10,28 Milliarden Euro eine hervorragende Entwicklungszusammenarbeit leisten wird.
Zweitens gehört zur Wahrheit auch, dass die erheblichen Steigerungen seit 2020 durch Sondermittel, zum Beispiel aus Corona-Nachtragshaushalten, zustande kamen. Wenn man nun also die Nichtverstetigung solcher Sondermittel als Kürzungen bezeichnet, ist das fachlich falsch und moralisch mindestens fragwürdig.
Und drittens bleibt Deutschland in der internationalen Zusammenarbeit immer noch zweitgrößter Geber in absoluten Zahlen. Im Ranking der ODA-Quoten wiederum liegen nur Norwegen, Luxemburg und Schweden vor Deutschland, und die Quote der USA erreicht übrigens weniger als ein Drittel der deutschen.
Dass es in der Außen- und Entwicklungspolitik aber nicht allein um finanzielle Ressourcen, sondern auch um politische Entscheidungen und Handlungen geht, sehen wir seit dem 7. Oktober vor allem an der Situation in Nahost und dem fürchterlichen Leiden, das der Angriff der Hamas auf allen Seiten ausgelöst hat. Zwar haben wir zuletzt im § 8a des Haushaltsgesetzes nochmals verankert, dass keine deutschen Steuergelder an Organisationen gehen dürfen, die terroristische Zwecke unterstützen; und ich bin weiterhin dankbar für die klaren und prompten Äußerungen von Ministerin Schulze hierzu.
Dennoch bleibt nicht nur bei mir das ungute Gefühl, dass die Untersuchungen der Bundesregierung und die Betroffenheit des Auswärtigen Amtes nicht ausreichen.
Die UNRWA selbst musste inzwischen neun Mitarbeiter als höchstwahrscheinlich am Hamas-Attentat Beteiligte entlassen. Die Gespräche mit UNRWA-Generalkommissar Lazzarini und anderen Verantwortlichen haben viele von uns Abgeordneten als geradezu unerträgliche Verharmlosung der Hamas und perfide Täter-Opfer-Umkehr empfunden.
Diese Haltung ist kein Einzelfall. Das bestätigen zahlreiche Analysen und Umfragen, so zum Beispiel Ende November von der Konrad-Adenauer-Stiftung. Demnach kann sich die Hamas weiterhin auf eine breite Zustimmung in Gaza und im Westjordanland stützen, und die Schuld an Kriegsverbrechen wird quasi ausschließlich bei den Israelis gesehen - nicht bei denjenigen, die am 7. Oktober unglaubliche Gräueltaten an Frauen und Kindern begingen.
Hier sollten wir ernsthaft überdenken, welche Maßstäbe wir im Bereich Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe anlegen, und das nicht nur an unser Tun, sondern auch an das der Empfänger und anderer westlicher Länder.
Vielen Dank.